Kunstfälschern auf der Spur

Interview mit Dr. Harald Müller

Fälschungen tauchen von Zeit zu Zeit immer mal wieder auf dem Kunstmarkt auf und sorgen für eine große Verunsicherung unter Sammlern wie Kaufinteressenten. Doch wie kann man sich davor schützen? Bettina Kneller, Journalistin beim Main-Echo, hat mit Dr. Harald Müller, Geschäftsführer der IMS GmbH, über die Möglichkeiten einer Echtheitsbestimmung bei Kunstwerken gesprochen.

Die Beltracchi-Bande hat über Jahre hochkarätige Experten mit gefälschten Bildern zum Narren gehalten. Hätten Sie die Fälschungen als solche erkennen können?

Dr. Harald Müller: Ja, wir hätten diese Fälschungen relativ schnell als solche erkannt. Schon die ersten naturwissenschaftlichen Analysen hätten in diesen Fällen aufgedeckt, dass die Bilder nicht von dem Künstler stammen können, dem sie von den Anbietern zugeschrieben wurden.

Welche Methoden wenden Sie zur Echtheitsbestimmung von Kunstwerken an?

Dr. Harald Müller: Die von uns benutzten naturwissenschaftlichen Methoden sind sehr vielfältig. Das reicht von Untersuchungen mit Lichtmikroskopie und dem Rasterelektronenmikroskop über Methoden zur Untersuchung von Zusammensetzung und Struktur der verwendeten Materialien wie spektroskopische Verfahren (z.B. Infrarot), verschiedene Verfahren zur Elementzusammensetzung (z.B. Röntgenfluoreszenzanalyse), röntgenographische Phasenanalyse, Thermolumineszenzanalyse, C14-Methode oder abbildende Verfahren wie Computertomographie, um nur eine Auswahl zu nennen. Für spezielle Fragestellungen kooperieren wir außerdem mit Großforschungseinrichtungen, um auch die Strahlung von Teilchenbeschleunigern nutzen zu können.

Wer sind Ihre Auftraggeber? Sind das eher große Museen oder Privatleute?

Dr. Harald Müller: Wir arbeiten für alle, die ein Interesse an naturwissenschaftlichen Untersuchungen von Kunst und Kulturgut haben, also Sammler, Käufer und Verkäufer, Galerien und Kunsthändler sowie Auktionshäuser und Museen.

Was kostet eine solche Echtheitsanalyse? Und wie läuft so etwas ab?

Dr. Harald Müller: Die Untersuchung beginnt mit einem Beratungsgespräch, bei dem zunächst der notwendige Untersuchungsumfang festgelegt und über die entstehenden Kosten informiert wird. Die Kosten hängen vom Untersuchungsumfang ab. Im Anschluss folgen die naturwissenschaftlichen Analysen. Um die untersuchten Objekte so wenig wie möglich zu verändern, werden die Untersuchungen unter Berücksichtigung der Messgenauigkeit minimalinvasiv, durch Entnahme möglichst geringer Probenmengen, oder zerstörungsfrei durchgeführt. Die bei den naturwissenschaftlichen Untersuchungen erhaltenen Daten werden anschließend ausgewertet und bewertet. Die Ergebnisse und daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen werden abschließend in einem Zertifikat dokumentiert.

Ihr Institut ist eines der wenigen, das solche Echtheitsbestimmungen durchführt? Warum ist der Markt dafür so klein, wo es doch hierzulande so viele Auktionshäuser gibt?

Dr. Harald Müller: Meiner Ansicht nach ist der Markt gar nicht so klein, ich sehe vielmehr einen relativ großen Bedarf, den im Übrigen nicht nur Auktionshäuser haben. Allerdings werden naturwissenschaftliche Materialuntersuchungen noch nicht in dem Maß als Standarduntersuchung zur Feststellung der Echtheit eines Kunstobjektes durchgeführt, wie ich es mir wünschen würde. Das hat verschiedene Gründe. Der eine liegt in der Gewohnheit. Zur Beurteilung der Echtheit eines Kunstobjektes wird sich immer noch weit verbreitet vor allem kunsthistorischen und stilistischen Beurteilungen, der Beurteilung der Signatur und vor allem auch der Provenienz und Historie eines Kunstgutes bedient. Aber hier können selbst die besten Experten auch einmal getäuscht werden, wie der Fall Beltracchi ja zeigt. Gleichwohl sind alle diese Herangehensweisen wichtige und seit langem genutzte Säulen für eine Echtheitsbestimmung. Naturwissenschaftliche Untersuchungen liefern konkrete Daten über die verwendeten Materialien. In Struktur, Zusammensetzung und Eigenschaften von Materialien ist die Geschichte ihrer Herstellung quasi eingeprägt. Derartige Untersuchungen werden zunehmend für Echtheitsbestimmungen eingesetzt, wenn auch nur langsam. Das liegt an den verschiedenen Sprachen die die hier Beteiligten sprechen. Für die Materialuntersuchungen werden wissenschaftlich Arbeitsweisen und hoch entwickelte Untersuchungsmethoden eingesetzt, bei denen es teilweise schwierig ist, die Bedeutung, Möglichkeiten und Grenzen den in der Regel fachlich nicht kundigen oder nur teilweise kundigen Empfängern der Ergebnisse verständlich zu machen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass es bei allen Echtheitsuntersuchungen, gleich welcher Methode, keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Die von den Beteiligten erwartete eindeutige und hundertprozentig sichere Festlegung „echt“ oder „unecht“ kann es naturgemäß nicht geben. Keine der verschiedenen Vorgehensweisen kann tatsächlich die Echtheit eines Kunstobjektes bestimmen. Das könnte bestenfalls der Künstler selber oder ein anderer Beteiligter, wenn er das Objekt eigenhändig hergestellt oder dessen Herstellung beigewohnt hat. Da dies bei historischen Werken nicht der Fall ist, muss über echt oder unecht anhand von Indizien entschieden werden. Einen Beweis der Echtheit gibt es praktisch nicht, nur Indizien, die die Echtheit widerlegen.

(Das Interview erschien am 21. Dezember 2011 im Main-Echo)