210Pb-Test


Halbwertszeit

Bei einem radioaktiven Zerfall hängt die Menge eines radioaktiven Isotops im Verhältnis zu seiner Ausgangsmenge über die Halbwertszeit eindeutig von der jeweils vergangenen Zeit ab. Radioaktive Zerfallsprozesse sind deshalb zunächst einmal sehr gut für eine Datierung geeignet.

Nebenstehend ist die prinzipelle Abnahme der Menge eines Nuklids durch radioaktiven Zerfall dargestellt.

 

Der 210Pb-Test versucht diese Abhängigkeit nun für die Datierung von Metalllegierungen wie Messing oder Bronze auszunutzen. In vielen für die Metallerzeugung verwendeten Erzen ist in geringen Mengen Uran (U) und dessen radioaktives Isotop 238U vorhanden. Dieses ist Mutternuklid der Uran-Zerfallsreihe. Ein Nuklid dieser Zerfallsreihe ist das radioaktive Nuklid 210Pb von Blei (Pb), das sich durch den Uran-Zerfall ebenfalls in den Erzen und in der Regel im Gleichgewicht mit dem Nuklid 238U befindet.

Der 210Pb-Test geht nun von folgenden Annahmen aus:

1)    Bei der Verhüttung der Erze findet eine Trennung von Blei und Uran statt: Das Blei sammelt sich in der metallischen Schmelze und das Uran reichert sich in der Schlacke an

2)    Dieser Trennungsprozess ist vollständig, so daß die in der Schmelze vorhandene Menge 210Pb nach dem Zerfallsgesetz abnimmt

3)    Nach 100 Jahren ist 210Pb in der Metalllegierung nicht mehr nachweisbar, andernfalls ist zumindest eine der Komponenten der Legierung vor weniger als 100 bis 120 Jahren verhüttet worden.

Zunächst muß erwähnt werden, dass die in der Metalllegierung vorhandenen radioaktiven Nuklide nur in äußerst geringen Mengen, nämlich nur im Ultraspurenbereich vorhanden sind. Der Test bedient sich deshalb eines sehr empfindlichen Messverfahrens, der Alpha-Spektrometrie. Diese misst die Anzahl und die Energie der bei einem radioaktiven Zerfall freiwerdenden Alpha-Teilchen und ist hochempfindlich. Die Aktivität von 210Pb, das bei seinem Zerfall keine Alpha-Teilchen aussendet, wird über das Folgenuklids 210Po (Polonium) ermittelt. Da Alpha-Strahlen sehr schnell absorbiert wird und dadurch eine nur sehr geringe Reichweite hat, muss für die Messung das 210Po durch einen radiochemischen Trennprozeß von der Matrix separiert werden.

Am Ende des Verfahrens wird die Aktivität des in der zu untersuchenden Legierung enthaltenen 210Po gemessen, die ein Maß für die Aktivität des im Material vorhanden 210Pb. Ob das viel oder wenig ist oder ob es schon lange zerfallen konnte, läßt sich aber nicht sagen, da die Anfangsmenge an 210Pb zum Zeitpunkt der Verhüttung unbekannt ist. Und diese Menge kann in sehr weiten Grenzen schwanken.

Eine Datierung ist mit dem 210Pb-Test also leider nicht möglich. Deshalb wird er als Echtheitstest verwendet: Eine Legierung ist neuzeitlich, wenn 210Pb nachgewiesen werden kann, denn bei einer Halbwertszeit von 22,3 Jahren ist kein 210Pb mehr nachweisbar (s. Annahme 3).

Die Halbwertszeit ist die Zeit, nach der die Menge eines Nuklids durch radioaktiven Zerfall auf die Hälfte abgenommen hat, nach zwei Halbwertszeiten auf ein Viertel nach drei auf ein Achtel, nach 4 auf ein 16tel und nach 5 auf ein 32tel usw. Nach reichlich 100 Jahren (für 210Pb-Test  entsprechen 5 Halbwertszeiten etwa 112 Jahren) ist das anfangs vorhandene 210Pb also keineswegs verschwunden, sondern nur weniger geworden und kann mit empfindlichen Geräten auch nachgewiesen werden. Es wird auch nie ganz verschwinden, denn nach den Zerfallsgesetzen nimmt die Menge asymptotisch ab, wird aber nie Null. Annahme 3 des 210Pb-Test ist also nicht erfüllt.

Der 210Pb-Test setzt als Grundannahme 2 voraus, dass bei der Verhüttung eine vollständige Trennung von radioaktivem Blei und Uran erfolgt, wobei das Blei im Metall und das Uran in der Schlacke verbleibt. Nun ist es aber so, dass diese Trennung zwar weitgehend stattfindet, aber niemals vollständig. Geringe Mengen 238U im Spurenbereich werden noch im Metall verbleiben.

Es ist unabdingbar für jeden einzelnen 210Pb-Test, die Grundvoraussetzung 2 zu überprüfen. Bereits geringste Mengen an 238U im Metall reichen aus, um durch radioaktiven Zerfall über sehr lange Zeit immer wieder neues 210Pb entstehen zu lassen. Das bedeutet, daß die Menge an radioaktiven Vorgängernukliden des 210Pb bestimmt und zweifelsfrei (z.B. durch nachvollziehbare Berechnung) nachgewiesen werden muss, daß radioaktiver Zerfall insbesondere von 238U kein 210Pb erzeugt, das den Test verfälschen kann.